Wagenleben

Immer mehr Menschen entscheiden sich für mobiles Wohnen. Diese Wohn- und Lebensform steht einigen Herausforderungen gegenüber. Konzepte für integrative Lösungen enstehen auf der Bunnies Ranch.

Auch wenn die Menschen und ihre Gründe für die Entscheidung im Wagen zu leben so vielfältig und individuell wie die Wagen selber sind, so haben sie doch gemein, dass sie häufig der Abwertung und Verdrängung ausgesetzt sind. Vorherrschende Klischees und unklare Rechtssicherheiten für legales Wagenleben spielen hierbei eine große Rolle. Es sind also kulturelle und strukturelle Hindernisse, welche das Wagenleben zum Wagnis machen. Trotz der Widrigkeiten wächst die Zahl der Menschen, die dauerhaft von der feststehenden Wohnung ins Wagenleben wechseln, auch in Flensburg. Diese Entscheidung erweist sich in den meisten Fällen als dauerhaft.

Wir sehen daher einen großen Bedarf, dieser Entwicklung integrativ zu begegnen anstatt mit Verdrängung.

Daher befasst sich die Arbeitsgruppe Wagenleben mit theoretischen, wie auch praktischen Themen in diesem Kontext. Es werden u. a. die Gründe der Stigmatisierung und die Verdrängungspolitik gegenüber dieser Lebensweise thematisiert, um die in der Gesellschaft vorhandenen Vorurteile aufzuzeigen und aufzulösen. Fragestellungen dazu will die Arbeitsgruppe mit Aufklärung und Transparenz begegnen.

Wie bei allen von Diskriminierung betroffenen Minderheiten geht es nicht darum, mehr Rechte und Freiheiten als andere zu haben, sondern die gleichen Rechte und Freiheiten zu genießen: Den eigenen Wohnraum so gestalten zu können, wie es den persönlichen Bedürfnissen entspricht. Durch eine Sensibilisierung zur Thematik des Wagenlebens im Speziellen sehen wir auch die Möglichkeit zum Abbau von Vorurteilen im Allgemeinen, was unserer Meinung nach einen Beitrag zu einer offenen, diversen Gesellschaft sein kann.

Der Verein Bunnies Ranch betrachtet es als Bildungsauftrag
  • Interessierten eigene Erfahrungen und Entwicklungen bezüglich des Wagenlebens zu ermöglichen
  • Erfahrungen, Fachkenntnisse und technisches Know-How zur Verfügung zu stellen
  • die Wagenkultur durch Aufklärung zu vermitteln
  • strukturelle Hindernisse zu ermitteln, zu thematisieren und Alternativen aufzuzeigen

Der vermittelnde Auftrag wird u. a. im Rahmen von Veranstaltungen wahrgenommen, bei denen Wagen und Wagenprojekte präsentiert und zugänglich gemacht werden. Die Bunnies Ranch ist Teil des „Wagenforum Flensburg – Unversiegelt Wohnen“ um Kommunikation zwischen Verwaltung, Politik, Interessierten und Beteiligten zu fördern.

Es gilt als Zeitgemäß, sich als „offen“ gegenüber alternativen Wohnformen zu bezeichnen, da mittlerweile in aller Munde ist, dass Wagenleben sozial und nachhaltig sein kann. Doch wie zeigt sich die Praxis für Wagenleben in Flensburg?

Gemeinschaften des Wagenlebens benötigen in der Regel ein Minimum an vorhandener Infrastruktur, um funktionieren zu können, oder ein hohe Planungssicherheit, um sich diese langfristig selbst zu schaffen zu können. Beides zusammen ist in Flensburg bisher in keinem Fall von Gemeinschaften des Wagenlebens vorzufinden. Richtig gewollt ist man nirgendwo.

In erster Linie geht diese Situation zu Lasten der EinwohnerInnen, die die alternativen Wohnformen mit Engagement und Mut hier und heute leben und voranbringen. Zu einer nachhaltigen Lösung führt Verdrängung aus dem Stadtbild nicht, da das Problem nur verlagert wird. Zusätzlich wird das Verhältnis zwischen Verwaltung, Politik und BürgerInnen durch die (vermeidbaren) Konflikte belastet. Mit anderen Worten, heute gibt es durchaus den Anreiz, sich mit dem Image des Wagenlebens und noch aktueller den „Tiny Houses“ zu profilieren. Jedoch mangelt es an Bewusstsein, dass diese Wohnformen und ihre BewohnerInnen jetzt – nicht irgendwann in Zukunft – städtischen Raum nicht nur brauchen, sondern auch sehr bereichern können.

Das Wagenleben ist, bedingt durch den sehr begrenzten (Lebens-)Raum, den geringen Abstellmöglichkeiten für die Wägen und die daraus resultierenden Herausforderungen mit einigen Einschränkungen im Vergleich zum „normalen“ Wohnen verknüpft. So sehen sich Menschen, die sich für ein Leben im Wagen entschieden haben aufgrund des Mangels an geeigneten Flächen mit entsprechender Infrastruktur (z. B. Anschluss an die Strom- und Wasserversorgung) zusätzlich zur gesellschaftlichen Ausgrenzung noch mit praktischen sowie emotionalen Belastungen in ihrem Alltag konfrontiert. Die Arbeitsgruppe Wagenleben bietet hierbei Unterstützung.

Auf dem Vereinsgelände befindet sich u. a. eine kleine Werkstatt, die es Mitgliedern ermöglicht, ihre Ideen mobiler Wohnformen in die Tat umzusetzen. Vereinsmitglieder verfügen durch langjähriges Leben in und mit mobilen Wohneinheiten, aber auch durch ihr berufliches Fachwissen über einen wertvollen Wissensfundus und praktische Kompetenzen. Ein Mitglied hat zum Thema eine Diplomarbeit verfasst, andere sind Handwerker und Holztechniker. Diese Erfahrungen werden gerne geteilt.

Die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung des Lebensraums durch den Auf- und Ausbau des eigenen Wagens wird von „Wagenmenschen“ oft als Grund zur Entscheidung für diese Wohnform angegeben. Sie setzt aber auch eine aktive und umfangreiche Auseinandersetzung mit verschiedensten Bereichen voraus, um ein nachhaltiges, ansprechendes Ergebnis zu erreichen. Einzelne Bauphasen müssen geplant werden, und wegen des begrenzten Raums gilt es bereits beim Aufbau den späteren Ausbau detailliert und sinnvoll festzulegen.

Folgende Themen müssen u. a. beim Bau eines Mobilheims bedacht werden:

  • Die Mobilität im Allgemeinen (Fahrzeugtechnik)
  • Baufachkunde (Konstruktion, Statik, etc.)
  • Werkzeug- und Werstoffkunde
  • Ökologisches Bauen (verschiedene Baustoffe, deren spezifischen Eigenschaften und Ver-, bzw. Bearbeitung)
  • Nutzung verfügbarer, bzw. selbst erzeugbaren Energien (Strom, Solartechnik, Wärme, Licht) und deren Installation
  • Ver- und Entsorgung von (Regen-) Wasser (Tank- und Leitungssysteme, Wasseraufbereitung)
  • Umgang mit Fäkalien (Aufbau und Funktion einer Trockentrenntoilette, Verwertungsmöglichkeiten des entstehenden Komposts)
Die durchaus vielfältigen baulichen Möglichkeiten und Notwendigkeiten werden im Erfahrungsaustausch und in Diskussionen erörtert, geplant und eingeschätzt. Dies und praktische, tatkräftige Hilfestellung innerhalb der Gemeinschaft sind entscheidend, damit die individuellen Vorstellungen mit den jeweiligen persönlichen, finanziellen und handwerklichen Möglichkeiten umgesetzt werden können.

Auf diesem Weg sind auf dem Gelände der Bunnies Ranch innerhalb der letzten Jahre mehrere mobile Wohnräume entstanden, welche ihren BesitzerInnen (jetzt auf anderen Grundstücken) als ein Zuhause und erfüllten
Lebens­traum dienen.